Montag, 28. Januar 2008

Nicht immer nur Rosenkranz und Dornen ...

Thaipusam - Zu Ehren Lord Subrahmanyas an der Tank Road


Das Hindufestival Thaipusam Ende Januar wird von der tamilischen Gemeinde Singapurs groß gefeiert. Besonders beeindruckt haben mich die sogenannten Vel kavadi, bis zu zwei Meter hohe Altäre, die die Gläubigen nach gründlicher spirtueller Vorbereitung und einmonatiger strikter Diät und Enthaltsamkeit in Begleitung von Familie und Freunden stundenlang durch die Stadt tragen - ein wahrlich farbenfroher Anachronismus und bemerkenswerter Gegensatz zum urbanen Betonhintergrund der Löwenstadt.

Die Gläubigen verehren mit diesem zwei Tage dauernden hinduistischen Thanksgiving Lord Subrahmanya, den Gott der Tugend, Jugend und Kraft und Zerstörer alles Bösen. Die Tradition des Altar-Tragens als Zeichen besonderer Hingabe geht auf den Vel zurück, den der auch als Lord Murugan verehrte Gott im Kampf gegen Dämonen von seiner Mutter geschenkt bekommen haben soll.

Hier eine kleine Auswahl von der Endstation der vier Kilometer langen Prozession am Sri Thandayuthapani Tempel, Tank Road. Besonders imposant ist, für mich, der unten abgebildete ältere Teilnehmer, der - im Gegensatz zu den meisten viel jüngeren Glaubensbrüdern - seine Last nicht durch ein Hüftkorsett gestützt durch die Straßen trug, sondern sich die eisernen Tragestangen direkt ins Hüftfleisch bohren ließ.








Montag, 7. Januar 2008

Sylvester in Singapur.

Gedanken zum Jahresende/anfang in der Löwenstadt


Um 23:59 gehen an der Marina Bay die Lichter aus. Die im Tsunamijahr 2005 eingeführte Schweigeminute soll der Bevölkerung auch diesmal in den letzten Sekunden vor Mitternacht Gelegenheit zur Reflektion bieten. Doch bei 150 000 Menschen, die sich rund um die Esplanade versammelt haben, gestaltet sich komplette Ruhe schwierig. Die Vorfreude auf das Neujahrsfeuerwerk ist zu groß. 8 Minuten soll es dieses Jahr dauern, ausgestattet mit pyrotechnischen Neuheiten und einer eigens komponierten Begleitmusik. Als ich mit der Menge die letzten Sekunden des Jahres anzähle, hat sich die Vorfreude auf mich übertragen. Ich stehe mit meinen Kolleginnen auf der Reporterplattform und habe beste Sicht auf die vor mir liegende Bucht und Singapurs Skyline.

Mit lauten „Oooh“- und „Aaah“-Rufen begleiten viele Zuschauer die vielfarbige Raketenshow. Die Musik geht im beeindruckenden Explosionslärm unter. Viel zu schnell ist das Feuerwerk zu Ende.
Doch die Gelegenheit zu weiteren Feldstudien zur Bevölkerung Singapurs möchte ich mir nicht nehmen lassen und tauche in die an der Uferpromenade stehende Menge ein. Drei Erkenntnisse möchte ich hier festhalten:

1. Singapurs vier große Ethnien feiern am liebsten jeweils unter sich. Das große multikulturelle Miteinander, dass die Singapurer Tourismusbehörde nicht müde wird, als Werbeslogan in jeder vielfarbigen Hochglanzbroschüre ganz oben zu platzieren, findet so nicht statt.

Chinesische Familien sitzen zusammen, genauso wie die angmohs, die ausländischen Expats, die alle am Clarke Quay überteuertes Importbier trinken. Junge, hübsche malayische Teenager feiern im eigenen Kreis genauso wie die Hunderten von indischen Wanderarbeitern, die sich vor allem um die Freiluftbühne drängen, auf der Singapurs neue Rockhoffnung „Allura“ mit der 19jährigen Frontfrau Inch vor allem Männerherzen höher schlagen lässt. Eines wird schnell klar: Singapur ist nicht Rio de Janeiro. Hier liegen sich Schlag 12 Uhr keine wildfremden Menschen in den Armen, niemand wünscht Unbekannten ekstatisch „Frohes Neues Jahr!“. Einzige Ausnahme bilden die hiesigen Taxifahrer, und das wohl eher aus Servicegründen.

2. Nach Feuerwerk und Rock’n’Roll geht’s nach Hause! Zu meiner großen Überraschung zieht der Großteil der 150 000 Menschen nach gut einer Stunde wieder ab. Ich sehe nirgends ein Mitternachtspicknick, niemand packt seine Gitarre aus, die offizielle Unterhaltung ist zu Ende, das Volk hält nichts mehr. Der Massenexodus verläuft zügig und ohne Zwischenfälle.

3. Zu verdanken ist das sicher der hohen Polizeipräsenz. Beamte und Angstellte privater Sicherheitsdienste leiten die Menge und vermitteln mir das Gefühl einer pubertären Geburtstagparty im Hause der Eltern, bei der die Mutter zwar Alkohol zugelassen hat, aber alle 10 Minuten zu Kontrollbesuchen ins Jugendzimmer stürmt um nachzusehen, ob sich auch alle Besucher zu benehmen wissen.

Doch das neue Jahr hält auch neue Hoffnung bereit. Ich habe Müll gesehen! Auf dem Rasen, auf den Wegen rund um die Esplanade ist der Boden mit farbigem Unrat bedeckt. Doch meine chinesische Kollegin holt mich schnell auf den Boden Singapurer Tatsachen zurück. „Den Müll haben sicher die Inder zurückgelassen“, kommentiert sie trocken.

Während ich langsam zu Fuß über die für Autos gesperrte Marina Bay Bridge Richtung Fullerton Hotel spaziere, wird mir klar, dass die Herausforderungen des Landes im alten Jahr auch für 2008 gelten müssen: lockerer, kreativer, multikultureller.

Singapur, auf Dein Wohl!